Learning Together: Empfindliche vs. gereizte Haut - was ist was?

 
 

Viele Menschen sagen: „Ich habe empfindliche Haut“, meinen aber eigentlich: „Meine Haut ist gerade gereizt.“ Beides kann ähnlich aussehen und sich ähnlich anfühlen - fachlich handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Hautbilder:

  • empfindliche Haut = Hauttyp

  • gereizte Haut = akuter Zustand

Dieses Verständnis hilft enorm dabei, die eigene Pflege besser zu planen, Trigger einzuordnen und realistische Erwartungen an Produkte zu entwickeln.

Wo genau die Unterschiede liegen, wie du sie erkennst und wie du deine Pflegeroutine entsprechend anpassen kannst, zeige ich dir in dieser Learning Together Serie.

Let’s learn together.

1. Was bedeutet „empfindliche Haut“?

In der Literatur wird von Sensitive Skin / Sensitive Skin Syndrome gesprochen.

1.1 Definition (vereinfacht)

Empfindliche Haut ist ein Zustand, bei dem Betroffene:

  • Brennen, Stechen, Juckreiz, Spannungsgefühl, manchmal Schmerz beschreiben

  • oft auf normale Reize reagieren (Wasser, Wind, Temperatur, unterschiedlichste Hautpflegeprodukte)

  • häufig keine oder nur minimale sichtbare Veränderungen zeigen

Mehrere Reviews beschreiben empfindliche Haut als sensorisches Syndrom: Die Haut reagiert überempfindlich, obwohl sie optisch manchmal „normal“ aussieht.

Duarte I, Silveira JEPS, Hafner MFS, Toyota R, Pedroso DMM. Sensitive skin: review of an ascending concept. An Bras Dermatol. 2017 Jul-Aug;92(4):521-525. doi: 10.1590/abd1806-4841.201756111. PMID: 28954102; PMCID: PMC5595600.

1.2 Wie häufig ist empfindliche Haut?

Epidemiologische Studien zeigen:

Empfindliche Haut ist also keine Randerscheinung, sondern ein weit verbreitetes Hautphänomen.

2. Was ist „gereizte Haut“?

Gereizte Haut ist dagegen ein akuter oder subakuter Zustand, der durch etwas Konkretes ausgelöst wurde.

Typische Auslöser:

  • zu starke oder zu häufige Peelings, Anwendung von unterschiedlichen Wirkstoffen (AHA/BHA, Retinoide, Benzoylperoxid etc.)

  • falsche Kombinationen („Skin Cycling gone wrong“)

  • zu aggressive Reinigung (Seife etc.)

  • Umweltstress (Kälte, Wind, UV-Strahlen)

  • Kontaktirritationen / -allergien (individuell durch Duftstoffe, Konservierungsstoffe etc.)

Zeichen können sein:

  • Rötung

  • Brennen, Stechen

  • Schuppung, Rauigkeit

  • Spannungsgefühl

  • usw.

Hier sprechen wir von Irritation (irritated / sensitized skin) - also einer Barriere, die akut gestört und überfordert ist, weil sie mit einem Reiz nicht klarkam.

Wu Y, Wangari-Olivero J, Zhen Y. ARTICLE: Compromised Skin Barrier and Sensitive Skin in Diverse Populations. J Drugs Dermatol. 2021 Apr 1;20(4):s17-s22. doi: 10.36849/JDD.2021.589c. PMID: 33852256.

3. Empfindliche Haut vs. gereizte Haut - auf einen blick

  • Empfindliche Haut = Haut, die von vornherein schneller „überreagiert“ (niedrige Reizschwelle, erworbene Überempfindlichkeit).

  • Gereizte Haut = Haut, die durch konkrete Einflüsse in einen Stresszustand gebracht wurde (z. B. zu viel Peeling, zu starke Wirkstoffe, Klima, Reibung etc.).

Was man sich sehr einfach merken kann:

Empfindliche Haut ist schnell überfordert. Gereizte Haut ist gerade überfordert.

4. Was passiert in der Haut?

4.1 Barriere & Lipide

Die Epidermis-Barriere (v. a. Stratum corneum) besteht aus:

  • Korneozyten („Ziegel“)

  • Lipidmatrix aus Ceramiden, Cholesterin, freien Fettsäuren („Mörtel“)

Ist die Hautbarriere einmal gestört, können unterschiedlichste Hautzustände begünstigt werden. Darunter:

5. Wie hängen empfindliche und gereizte Haut zusammen?

Man kann es sich so vorstellen:

  • Wer empfindliche Haut hat, hat eine Art Grundrisiko, schneller gereizte Haut zu entwickeln.

  • Gereizte Haut kann auch bei Menschen auftreten, die sonst keine empfindliche Haut haben - z. B. nach einer einmaligen „Säure-Überdosis“.

  • Eine wiederholt gereizte Barriere kann wiederum langfristig dazu beitragen, dass die Haut insgesamt sensibler reagiert.

6. Wie erkenne ich, ob ich empfindliche Haut oder gereizte Haut habe?

Fragen, die helfen können, zu unterscheiden:

  1. Hast du diese Beschwerden „schon immer“ oder phasenweise?

    • Schon immer / seit Jahren: eher empfindliche Haut

    • Erst seit Produkt X / Ereignis Y: eher gereizte Haut

  2. Reagierst du auf viele unterschiedliche Faktoren (Temperatur, Wind, Stress, Wasser)?

    • Ja: spricht für empfindliche Haut

  3. Bessert es sich, wenn du alles reduzierst (Minimalroutine)?

    • Deutlich ja: wahrscheinlich primär gereizte Haut

7. Hautpflege-Tipps, die dir helfen können

7.1 Bei empfindlicher Haut (Hauttyp)

Ziele: Reizschwelle nicht überfordern, Barriere stabil halten, Trigger minimieren.

  • Milde Reinigung, möglichst ohne aggressive Reinigungsmittel, pH-hautneutral.

  • Minimalistische Formulierungen mit wenig potenziellen Irritanzien (v. a. Duftstoffe)

  • Fokus auf barrierestärkerende Inhaltsstoffe:

    • Ceramide + Cholesterol + Fettsäuren

    • Niacinamide (2–5 %)

    • Panthenol, Beta-Glucan, Hafer, Cica, Squalane, Ectoin, Allantoin, Bisabolol

  • Wirkstoffe langsam und vorsichtig einschleichen, nicht alles gleichzeitig (Retinoide, Säuren, Vitamin C etc.)

7.2 Bei gereizter Haut (akuter Zustand)

Ziel: Reiz stoppen, beruhigen, reparieren.

  • Alle stärkeren Wirkstoffe pausieren (Retinoide, AHAs/BHAs, Ascorbinsäure, BPO etc.)

  • Reinigung maximal mild, ggf. morgens nur lauwarmes Wasser

  • Produkte mit starkem Barrierfokus (z. B. Ceramide, Panthenol, kolloidaler Hafer, Ectoin, Zinkoxide, Beta-Glucan, Allantoin etc.)

  • Kein zusätzliches „Experimentieren“ (kein Produkt-Hopping)

  • UV-Schutz beibehalten, aber so reizarm wie möglich (das Produkt soll nicht zusätzlich reizen)

Wenn trotz konsequentem Barriere-Management anhalten­de Rötung, Brennen, Papeln, Nässen auftreten: ab in die Dermatologie (Ausschluss von Ekzem, Rosacea, perioraler Dermatitis etc.).

8.Was du dir aus dieser Learning Together Serie mitnehmen kannst:

  • Empfindliche Haut ist eine Neigung - die Haut reagiert schneller, auch auf eigentlich “milde” Reize.

  • Gereizte Haut ist ein Momentzustand - die Haut ist aktuell überfordert (z. B. durch Überpflege, Klima, starke Wirkstoffe).

  • Die Hautbarriere steht im Zentrum: ist sie instabil, steigt die Wahrscheinlichkeit für Empfindlichkeit und Reizung.

  • Gute Pflege bedeutet: Trigger verstehen, Barriere schützen, Wirkstoffe durchdacht einsetzen.

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