Produktentwicklung von Kosmetika: Wege, Unterschiede und der Prozess dahinter

 
 

Die Entwicklung eines kosmetischen Produkts kann auf ganz unterschiedlichen Wegen erfolgen - von extrem schnellen Markteinführungen mit White-Label-Produkten bis hin zu vollständig maßgeschneiderten Eigenentwicklungen, die über Monate oder Jahre entstehen.

Jedes Modell hat eigene Vorteile, Risiken, Kosten und Herausforderungen. In dieser Learning Together Ausgabe gebe ich dir einen strukturierten Einblick in die vier wichtigsten Modelle der Produktentwicklung, wie sie in der Kosmetikbranche tatsächlich gelebt werden.

Let’s learn together.

1. White Label - die schnellste Lösung

Was ist White Label?

Fertig entwickelte, bereits produzierte Produkte, die 1:1 unter eigenem Markennamen verkauft werden können - ohne Änderungen an der Formulierung.

Vorteile

  • Schnellste Markteinführung (oft in wenigen Wochen)

  • Keine Entwicklungs- oder Laborkosten

  • Geringe Mindestbestellmengen

  • Ideal für Marken mit begrenztem Budget

Nachteile

  • Keine Exklusivität - jede andere Brand kann das gleiche Produkt verkaufen

  • Keine Möglichkeit zur Anpassung der Formulierung

  • Branding beschränkt sich auf Verpackung & Marketing

Für wen geeignet?

Für Gründer:innen, die schnell testen möchten, ob eine Produktidee am Markt funktioniert, ohne große Investitionen.

2. Private Label - halb-individuelle Formulierungen

Was bedeutet Private Label?

Hier arbeitet man mit einer bestehenden Basisformel des Herstellers, die in begrenztem Umfang angepasst werden kann, z. B.:

  • Wirkstoffkonzentrationen

  • Duft

  • Textur oder Farbe

  • Verpackung

Es ist die Mitte zwischen White Label und vollständiger Eigenentwicklung.

Vorteile

  • Geringere Kosten als eine neue Formulierung

  • Schnellere Realisierung, da die Basisformulierung bereits existiert

  • Geringeres Entwicklungsrisiko

Nachteile

  • Nur begrenzte Kreativität und Modifikationen möglich

  • Tiefgreifende Veränderungen oft ausgeschlossen

  • Keine vollständige INCI-Freiheit

Für wen geeignet?

Für Marken, die etwas Individualität möchten, aber (noch) kein Budget oder strategisches Bedürfnis für eine komplette Eigenentwicklung haben.

3. Full Custom Formulation - komplette Eigenentwicklung

Was bedeutet das?

Das Produkt wird von Grund auf neu entwickelt, basierend auf einem ausführlichen Produktbriefing der Marke.

Ein typisches Briefing umfasst:

  • Produktart (Serum, Creme, Shampoo…)

  • Claims (z. B. beruhigend, barrierestärkend etc.)

  • Zielgruppe

  • Key Ingredients & Ausschlusslisten

  • Textur- und Duftvorstellungen

  • Packaging-Vorgaben

  • Preisrahmen

Vorteile

  • Volle Kontrolle über Formulierung, Sensorik, Wirksamkeit

  • Höchste Individualität & Differenzierung am Markt

  • Umsetzung spezifischer Claims

  • Stärkung der Markenidentität

  • Möglichkeit zu IP-Ownership (vertrag abhängig)

Nachteile

  • Höchste Kosten (R&D, Muster, Stabilität, Dokumentation)

  • Längste Entwicklungszeit (mehrere Monate bis Jahre)

  • Mehrere Anpassungsrunden nötig

  • Risiko bei Instabilitäten oder nicht erfüllten Erwartungen

Für wen geeignet?

Für Marken, die:

  • ein einzigartiges Produkt wollen

  • langfristig planen

  • ein klares Markenprofil & Budget haben

  • einen starken USP benötigen

4. Tech Transfer - Produktion anhand einer bestehenden Rezeptur

Was bedeutet Tech Transfer?

Hier entwickelt der Hersteller keine eigene Formulierung.
Stattdessen liefert der Kunde eine fertige Rezeptur + Herstellungsanweisung und der Produzent setzt diese technisch um.

Der Kunde stellt zur Verfügung:

  • vollständige Formulierung (% w/w)

  • Herstellprotokoll / SOP

  • Prozessparameter (Temperaturen, Rührgeschwindigkeiten…)

  • Rohstoffspezifikationen (Trade Names)

Der Hersteller prüft anschließend:

  • technische Machbarkeit auf eigenen Anlagen

  • notwendige Prozessanpassungen

  • Rohstoffverfügbarkeit

  • Scale-up-Fähigkeit (z. B. 100 g → 5 kg → 200 kg)

  • ob zusätzliche Tests notwendig sind

Tech Transfer ist Produktion - nicht Entwicklung.

Vorteile

  • Formel bleibt im Besitz des Kunden (wichtiger IP-Aspekt)

  • Hersteller führt nur die Produktion aus

  • Hohe Kontrolle über Qualität & Rezeptur

  • Ermöglicht den Wechsel des Herstellers

  • Keine Entwicklungs- oder R&D-Kosten

  • Klare Trennung zwischen Labortätigkeit und Produktion

Nachteile

  • Erfordert perfekte, saubere Rezepturen und SOPs

  • Instabile Formeln führen zu Scale-up-Problemen

  • Validierungen und Pilotbatches können zeitintensiv sein

  • Verantwortung für Formulierungsfehler liegt beim Kunden

  • Höhere Initialkosten für Prozessvalidierung möglich

Für wen geeignet?

Für Marken, die:

  • bereits eigene Formulierungen besitzen (intern oder extern entwickelt)

  • volle Kontrolle und Unabhängigkeit möchten

  • nur einen zuverlässigen Produktionspartner suchen

  • langfristig flexibel bleiben wollen

Ideal für Unternehmen mit eigenem R&D-Team oder externe Labore, die Formulierungen entwickeln und anschließend in die Produktion überführen.

Du möchtest ein Produkt auf den Markt bringen? Welcher Weg ist der richtige für dich?

Die Entscheidung für das passende Entwicklungsmodell hängt immer von mehreren Faktoren ab und keiner davon ist „richtiger“ oder „falscher“. Entscheidend ist, was zu deiner Marke, deinem Budget und deiner Vision passt.

Frag dich daher:

  • Budget: Wie viel möchtest du investieren - nur das Nötigste oder bewusst in Individualität?

  • Zeitrahmen: Wann soll dein Produkt marktreif sein - in Wochen oder in mehreren Monaten?

  • Individualität: Wie einzigartig soll deine Formulierung wirklich sein?

  • Markenstrategie: Welche Zielgruppe möchtest du ansprechen und welches Qualitätsniveau erwartet sie?

  • Risikobereitschaft: Wie hoch darf das Risiko sein, falls ein Produkt nicht sofort am Markt performt?

Ob du dich für eine schnelle Markteinführung entscheidest oder eine komplexe Eigenentwicklung wählst: Es gibt keinen „besten“ Weg - nur den, der am besten zu deinen individuellen Zielen und Ressourcen passt.

Zurück
Zurück

Learning Together: Mitesser bis Pusteln - nicht jeder Pickel ist gleich!

Weiter
Weiter

Learning Together: 4 Anwendungsmöglichkeiten für Glykolsäure - aus kosmetikwissenschaftlicher Sicht